Driftsethe

 

Driftsethe Lageplan grob

 

Diedrich Steilen

Diedrich Steilen

Diedrich Steilen:

Geboren 16.07.1880 in Driftsethe und gestorben 05.05.1961 in Bremen

Er machte sich als Heimatforscher für den norddeutschen Raum verdient und war in der deutschen und niedersächsischen Heimatbewegung aktiv. Die elterliche Hofstelle in Driftsethe ist mittlerweile verkauft und das alte Bauernhaus wurde abgerissen. Eine Gedenkplakette (gestiftet von "Männer vom Morgenstern") befindet sich etwa 100 m von der Hofstelle entfernt an einem Findling angebracht. Ihm zum Gedenken wurde (nicht nur) in Driftsethe eine Straße benannt.

Zeitungstext über Driftsethe aus dem Jahre 1950, verfasst von Diedrich Steilen:
Die ältesten urkundlichen Nachrichten über meinen Geburtsort Dritsethe liefert uns die bremische Kirche. In der Urkunde des Erzbischhofs Friedrich vom Jahre 1105 - nach May "Regesten" richtiger 1109 - über den Umfang der Obedienz Bramstedt wird das Dorf  D r e p t i s a t i  genannt. Es taucht dann mehrfach in den Urkunden des 1320 gegründeten Paulsklosters in Bremen auf, und zwar handelt es sich dabei um zwei und eine halbe Hufe Land, die der Erzbischof Adalbero dem Kloster 1139 schenkte. Die Nachfolger bestätigen diese Schenkung. Im 14. Jahrhundert hat der Ritter Christian von Wersabe auf Vosloge das Land in Händen, weigert aber den Zehnten und wird infolgedessen aus der Kirche ausgestoßen und 1336 mit dem Interdikt belegt, söhnt sich dann anscheinend mit der Kirche aus, denn zwei Jahre später sagt er zu, von neugerodetem Lande innerhalb des Kirchenbesitzes zehnten zu wollen. Damit versiegt diese Quelle.
Die latinisierte Namensfonn drepti sati taucht als Driptesede, Dreftesete, Driftezete auf, bleibt sich also gleich, die geringen Abweichungen dürfen wir als Willkür der jeweiligen Schreiber ansehen. Der Sinn des Wortes ist eindeutigt: die an der Drepte, der Drift, saßen. Karl Waller (Die Kunde IV), und nach ihm Wilhelm Preßler (Stammeskunde von Niedersachsen, Seite 39), halten den Namen wie auch Börsten (bursat = Bauernsitz), Fleeste (Flietsete = die am Fleet, nämlich der Lune saßen) und Geestenseth für chaukischen Ursprungs und weisen ihm damit ein sehr hohes Alter zu.
Viel weiter in die Vergangenheit führen die Bodenfunde und der Boden selbst. Driftsethe liegt auf dem Nordrand einer Geestinsel, die südlich Uthlede beginnt. Einst muss ein Arm der Weser am Ostrande der Osterstader Marsch geflossen sein, der zunächst unter dem Uthleder Kliff eine Rinne von 14 Meter Tiefe schuf und sich dann bis zum Weißenberge hinzieht und 1946 dort, als man durch Sprengschüsse nach Erdöl suchte, wieder in Erscheinung trat, als nämlich die Landstraße infolge der Erschütterung in den moorigen Untergrund versank. Ganz ohne Frage folgt die Drepte, die aus der Garlstedter Heide kommt, einem alten Wasserlauf, der später vermoorte. Die Ansichten darüber, dass es ein Weserarm war, gehen auseinander. Dr. Heinrich Schütte, den ich an diese Stelle führte, vermochte es nicht völlig sicher zu bejahen. Dr. Becker, jetzt Lübeck, schloss sich der Saalfeldschen Auffassung von 1880 an, es sei ein Weserarm gewesen. Doch wie dem auch sei: der Charakter der Geestinsel ist unverkennbar.
Die günstige Lage so nahe am Wasser reizte zum Siedeln. Und in der Tat, der Boden barg oder birgt noch heute Spuren, Zeugen einer frühen Besiedlung. Da waren - hier muss ich in der Vergangenheit reden - zunächst verschiedene Steingräber der jüngeren Steinzeit. Von drei Gräbern dieser Art lebt die Erinnerung noch im Gedächtnis der Alten. Eins konnte Hermann Allmers noch 1845 skizzieren. Der Flurname weist auf die Lage in der Nähe des Waisenhauses an der Hagen-Sandstedter Landstraße hin. Nicht ganz weit von dieser Stelle wurde um 1890 beim Roden von Stühbüschen ein Urnenfriedhof angetroffen; leider unterblieb damals - die Urgeschichte steckte noch in den Anfängen - eine fachmännische Untersuchung. Man darf dieses Gräberfeld ohne Fehlschluss in die sächsische Zeit setzen und wird in dieser Annahme noch bestärkt durch Urnenfunde beim Sandabgraben auf dem Weißenberg, wo u. a. eine Hakenkreuzurne gefunden wurde, die ins Morgensternmuseum gelangte. Ein eigenartiger Fund wurde 1888 nach der Verkoppelung in der Flur "Auf dem Wührden" gemacht. In dem Wührdenpool, der bei dieser Gelegenheit eingeebnet wurde, fand man ein gewaltiges Steingrab. Es erklärte die Richtigkeit des Namen Wörden als Wurt. Die Steine, Findlinge, wurden gesprengt. Ich entsinne mich, als Kind die gesprengten Stücke, hoch aufgetürmt, noch lange gesehen zu haben, bis sie wie so viele Findlinge als Pflaster in die Straße wanderten. Aus dem Gesagten dürfte das hohe Alter Driftsethes hervorgehen, und es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn wir es als eines der ältesten Dörfer unserer Gegend erklären.
Driftsethe ist ein Haufendorf, wie der Besucher auf den ersten Blick erkennen wird. Noch liegen die Straßen krumm und winklig da, wie ehedem die Wege verliefen, nur der jüngere Ortsteil, der den bezeichnenden Namen Heidland führt, zeigt eine regelmäßigere Anlage.
Die Feldmark wurde weitgehend durch das Wasser gestaltet. Die Zeit wirkte ausgleichend, verwischte die Unterschiede, nicht ohne Zutun des Menschen. Da sehen wir, wenn wir von Hagen kommen, eine lange Niederung, die sich bis in den Ort erstreckt. In meiner Kindheit, also vor 70 Jahren, stand hier nach der Schneeschmelze ein großer See, groß genug, dass wir als Kinder in einem Backtrog mit Bohnenstangen darauf schiffern konnten. In dieser Niederung liegt eine Flur mit Namen Suhl/Sahl, die Bezeichnung deutet auf eine wasserführende Niederung hin. Dazu passen die Felder, die sich von der ansteigenden leichten Höhe herniedersenken: Siekbrede. Brede ist die Breite, ein Ackermaß, siek bedeutet wie der Ortsname Syke so viel wie sumpfige Niederung. Im weiteren Verlauf dieses Tälchens liegt dann vor dem hohen Wehr der Pool, der Feuerteich. Diese natürliche Wasserführung endet in den Mooren der Drepte.
Ein zweiter Wasserzug verläuft dort, wo ehedem der Wührdenpool lag. Nach diesem Wasser, einem Teich, hießen die angrenzenden Felder Teichstücke, im Volksmunde noch heute Diekstucken. Als die Feldmark vermessen und Flurkarten angelegt wurden, setzte man Fachleute dafür ein, es waren landfremde Leute, die kein plattdeutsch verstanden und es auf ihre Weise ausdeuteten. So schrieben sie Deichstücke, ohne sich auch nur die geringsten Gedanken zu machen, ob es richtig sei. Diek ist der Deich, das hatten sie schon spitz gekriegt. Dass aber Diek auch Teich bedeutet, das war Ihnen entgangen. So kommt durch Unwissenheit der falsche Name auf der Flurkarte zustande. Wir liefern dazu gleich noch mehr Beispiele. In diesem Wasserzuge liegt die andere Notkuhle des Dorfes, der Fischeldiek. Ich habe nie Fische darin gesehen, nicht einmal Stichlinge, wohl aber erfreuten uns die Frösche an lauen Sommerabenden durch ein Konzert. Das Wasser aus dem Fischeldiek verläuft sich durch die Wisch = feuchte Wiese, durch die große Riet zur Drepte. Riet hängt nicht, wie es leicht scheinen möchte, mit Reit zusammen, sondern bedeutet Bach, fließendes Wasser.
Nun zu einer dritten Niederung im Nordwesten der Feldmark. Dort treffen wir unseren Landmesser wieder. Hart am Dorfrande liegt eine anmoorige Fläche, das Volk nennt sie Leegmoor, auch wohl Lechmoor, das ewig ergiebige Land. Die Flurkarte schreibt Lichtenmoor. Dass es bei Norden, Ostfriesland, ein großes Leegmoor gibt, konnte der gute Mann, der die Namen festlegte, nicht wissen. Wir können ihm das auch nicht weiter übel nehmen. Wäre er doch beim Plattdeutschen geblieben, dann wäre ihm solcher Fehlschluss wie der folgende erspart geblieben. Beim Leegmoor beginnt ein schnurgerader Wall von Kilometer Länge, den darum jeder den lieken Wall nannte. Nun, der Landmesser war wohl auf einer Beerdigung gewesen und hatte von der Lieke gehört, flugs schrieb er Leichenwall. Höher geht's nimmer!
Hier kann ich die Anmerkung nicht unterdrücken: Wer sich mit Flurnamen beschäftigt, misstraue der amtlichen Flurkarte, sondern halte sich an die mündliche Überlieferung und befrage alte Leute, sie kennen die richtigen Namen! Am lieken Wall liegt ein kleines Wasser, der Kohlpott, aus ihm sickert das Wasser zum Hüllen. Hüllen kommt von hulivn und bedeutet Sumpf. In den Gräben der Kreuzweide verläuft sich das Wasser. Kreuzweide, hier stand in katholischer Zeit ein Kreuz, ein Kruzifix.
Wie durch Menschenhand die Landschaft verändert wird, zeigt die am Hüllen angrenzende Hohe Lieth. Wir kennen diesen Namen auch sonst, von Altenwalde, Fallingbostel, er bedeutet überall dasselbe, nämlich Abhang. Die Driftsether Hohe Lieth war lange Jahrzehnte die Sandgrube für das Dort. Von der Höhe, die das Messtischblatt mit 9,6 Meter angab, ist nichts übrig geblieben. Wer Sand brauchte, holte ihn von hier.
Aber die Flurnamen erzählen uns noch mehr. Karkacker (Kirchacker) erinnert an den eingangs erwähnten Besitz des Bremer Paulsklosters, ihn etwa mit der Kirche in Bramstedt in Verbindung zu setzen, wäre ein Irrtum, obwohl Driftsethe bis vor etwa 60 Jahren dahin eingepfarrt war. Der Anteil des Moores an der 1536 ha großen Feldmark spiegelt sich in folgenden Bezeichnungen wider: Kampsmoor, Kanalsmoor, Sandbergsmoor, Hasenhörensmoor, Kalkbergsmoor, Grienenbergsmoor. Ehedem, viel mehr als heute noch, waren die Grundstücke durch Erdwälle zu Kamps eingefasst, wie Kornkamp, Kreuzkamp, de korte Kamp oder nach den Besitzern benannt: Cordes Kamp, Schwingenkamp usw.
Als Landmaß kehren wieder Acker in Steertacker, Karkacker, Wischenacker, Jahrten, jaarde, jerde (fries.), gerde (alts.), yard (engl.) bedeutet Gerte, Meßrute (einmal angelegt). Eine Breede entstand, wenn ein Maß zweimal angelegt wurde: Siekbreede, Hagener Breede, Breeden Balken. Auch Deel war ein Maß: Dreptdeel, Tutdeel (eine Wiese, deren Nutzung dem Nachtwächter zustand), Burdeel (war bei der Markeinteilung Gemeindebesitz geblieben). Ein weiteres Maß war Hempten, Himpten: Burhempten, Wulsbuttler Hempten (Besitz der Wulsbüttler Kirche).
Nur einige Flurnamen konnten wir befragen. Die Beispiele zeigen zur Genüge, dass in ihnen ein Sinn steckt. Die Alten, die diese Namen prägten, kannten ihren Boden, den sie bewirtschafteten, so gut, dass sie sein Wesen mit einem Namen kennzeichnen konnten. Es sind Sprachdenkmäler, wert, dass wir sie schützen, mit anderen Worten: unverfälscht der Nachwelt überliefern.     Diedrich Steilen, Bremen